Identifikation

Identifikation ist ein Wort, mit dem wir auf das erste Hören nicht so viel anfangen können. Wir haben Schwierigkeiten, uns klar zu machen, was das Wort bedeutet und zu verstehen, in welchen Bereichen wir etwas damit zu tun haben könnten. Noch schwerer sind die weitreichenden, destruktiven Folgen unserer Identifikationen zu verstehen. Wir werden nun dieses Wort und was dahinter steckt, intensiver betrachten.

Das Wort Identifikation kam aus dem Lateinischen Identitas und bedeutete Wesenseinheit, es hat Verwandtschaft zum Wort identisch. Der Vorläufer des lateinischen Identitas war vermutlich das Wort isdem, was bedeutete "eben der, ein und derselbe". Das Wort Wesenseinheit, erscheint mir besonders beachtenswert. Eine Einheit, also Wesenseinheit waren wir Menschen nur zum Moment der Geburt und danach nicht mehr lange. Wir waren noch auf uns selbst orientiert.

Unsere angeborenen "biologischen Werte" haben in erster Linie zum Ziel, die Lebensfähigkeit zu erhalten oder sie zu intensivieren. Solange unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet erscheint, besteht die Zielsetzung der biologischen Werte darin, den Zustand der Zufriedenheit durch die Lustbefriedigung zu erreichen. Damals war unsere Welt noch in Ordnung, als wir nur ein Wertsystem hatten, aus dem zwangsläufig eine Wesenseinheit resultierte.

Mit Gewalt verpasste man und Frau oder Eltern und sonstige Umwelt uns ein zweites Wertsystem, das wir nun Fremdwertsystem nennen wollen. Die uns anerzogenen Fremdwerte haben zum Ziel, den Zustand der geringsten Ablehnungs- oder Verlustangst zu erreichen. Deshalb praktizieren wir ein Normenverhalten mit der Zielsetzung auf möglichst viel positives Feedback und mit Vermeidung von negativem Feedback. Mit der Anerziehung dieses zweiten Wertsystems war´s aus mit der Wesenseinheit, wir erhielten eine Wesenszwiespältigkeit.

Hier nun meine Definition des Wortes Identifikation :

Die Identifikation erscheint mir als ein Verwechlungsprozess unserer Psyche. Sie entstand in der Folge der erzwungenen Übernahme oder Introjektion von Fremdwerten, aus der sich eine Bereitschaft zur Gleichsetzung von Fremdstrukturen mit dem eigenen biologischen Selbst entwickelte.

Betrachten wir dieses abstrakte Definitionsgebilde etwas sachbezogener. Gehen wir davon aus, dass im Moment unserer Geburt nur ein biologisches Wertsystem in uns besteht, welches in erster Linie zum Ziel hat, die Lebensfähigkeit zu erhalten oder sie zu intensivieren. Solange unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet erscheint, besteht die Zielsetzung der biologischen Werte darin, den Zustand der Zufriedenheit durch die Lustbefriedigung zu erreichen. Dieses Wertsystem ist genial einfach, unkompliziert und effizient. Es ist rein funktionell orientiert. Positiv wird innerhalb dieses Wertsystems interpretiert, was unsere Lebensfähigkeit und oder unsere Lustbefriedigungsfähigkeit begünstigt. Lebensaspekte, die unsere Lebensfähigkeit und oder unsere Lustbefriedigungsfähigkeit gefährden lösen eine gesunde Angst aus, die den Zweck hat, die einzigen Werte, Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit, die in dieser Situation gefährdet erscheinen, zu erhalten.

Das uns anerzogene Fremdwertsystem ist für uns sehr schwer zu durchschauen, es erscheint unübersichtlich. Wie erreiche ich als Kind den Zustand der geringsten Ablehnungs- oder Verlustangst. Was muss ich wem gegenüber tun, um wenigst möglich abgelehnt zu werden um mir Verlusstängste und andere Frustrationen zu ersparen? Was darf ich wem gegenüber nicht tun, um wenigst möglich abgelehnt zu werden um mir Verlusstängste zu ersparen? Papa mag dieses aber jenes nicht, Mama mag dieses aber jenes nicht, Schwestern oder Brüder mögen dieses aber jenes nicht, Tanten, Onkels, andere Verwandte und Bekannte mögen dieses aber jenes nicht. Dieses komplexe, vielfältige, extrem unterschiedliche tun müssen und nicht tun dürfen verwirrt, macht unsicher und löst jede Menge Angst in uns aus. Nicht genug damit, dass jeder in unserer Umwelt unsere Verhaltensweisen unterschiedlich beurteilt und uns danach mit seiner oder ihrem persönlichem positiven oder negativem Feedback bombardiert!

Der Zeitfaktor ist für uns als Kinder völlig abstrakt und damit unverständlich. Wie sollen wir verstehen, dass die selbe Verhaltensweise, die letztes Jahr bei manchen noch positives Feedback ausgelöst hat, nun bei mehr Menschen immer mehr negatives Feedback auslöst. Wie sollen wir verstehen, dass mit dem Prozess des Älterwerdens bestimmte Kinder - oder Narrenfreiheiten und Kinderlegitimationen verloren gehen? Damit will ich erläutern, wie komplex dieses zweite Wertsystem für uns zu verstehen ist. Wir kommen nun zur Erklärung des Wortes "Introjektion". Die Introjektion ist der Gewaltvorgang, bei dem ein Fremdwert in uns übernommen wird, so dass wir den eigentlichen Fremdwert als eigenen Wert interpretieren.

Hier einige Beispiele:

Das Nasenbohren ist für uns biologisch eine Möglichkeit, mit geringstem Aufwand einen störend empfundenen Gegenstand mithilfe des eigenen Fingers aus der eigenen Nase zu entfernen. In unserer Kultur und Zeit wird jedoch das Nasenbohren negativ interpretiert und als Folge dessen mit negativem Feedback beantwortet. Solange negatives Feedback isoliert auftritt, ist uns das ziemlich egal. Wird jedoch mit dem negativen Feedback noch ein biologischer Schadens - oder Strafprozess  verbunden, wie geschlagen werden, früher ins Bett müssen, keine Nachspeise bekommen, Kommunikations- oder Liebesentzug, so sind wir dadurch leicht zu ängstigen und zu frustrieren. Infolge unseres assoziativen Denkens oder anders gesagt, gleichstellenden Denkens entsteht nun eine Verbindung von Nasenbohren mit Frustrationen und Angst. Wir sind nun bereit, das Nasenbohren, welches uns biologisch nicht negativ erscheint, negativ zu interpretieren. Damit ist im Bereich des Nasenbohrens der Prozess der Introjektion abgeschlossen. Wir sind nun auch bereit, andere mit Gewalt von der Negativität des Nasenbohrens zu überzeugen. Das Nasenbohren ist nur ein Beispiel von Vielen. Ähnlich verhält es sich mit der Selbstbefriedigung, dem Spucken, dem Weinen, der Unsauberkeit und vielem mehr. So wie wir gelehrt wurden, Dinge oder Verhaltensweisen, die biologisch nicht negativ sind als negativ zu bewerten, wurden wir auch gelehrt Dinge oder Verhaltensweisen, die biologisch nicht positiv sind, positiv zu interpretieren.

Beispiel: Als sehr kleine Kinder bedeutet Kleidung für uns einen funktionellen Schutz gegenüber unangenehmen Witterungen. Wenn wir über Felsen oder rauen Beton kriechen bedeutet sie für uns einen Reibungsschutz. Und so interpretierten wir manche Kleidung als funktionell positiv, solange sie unseren Spieltrieb nicht blockierte. Als jedoch unsere Eltern mithilfe der "schönen Kleidung" ein Demonstrationsobjekt des "schönen Kindes" aus uns machen wollten, interpretierten wir diese Kleidung zuerst mal als negativ. Denn, hatten wir diese Kleidung an, so durften wir nicht über Zäune steigen, wir durften nicht in den Sandkasten und schon gar nicht in unsere geliebte Kiesgrube. Vom Steigen auf unser Baumhaus ganz zu schweigen. Diese doofe Kleidung war uns also nur hinderlich. Wir empfanden diese doofe Kleidung als negativ, weil sie unsere Lustbefriedigungsmöglichkeiten behinderte. Irgendwann bekamen wir aber auch mal positives Feedback durch das Tragen dieser doofen, "schönen Kleidung". Auch hier währe uns das isolierte positive Feedback ziemlich egal gewesen. Sobald jedoch mit dem positiven Feedback durch die "schöne Kleidung" noch realer biologischer Nutzen durch Geschenke, länger wach bleiben dürfen und so weiter verbunden wurde, sah die ganze Geschichte bereits total anders aus. Irgendwann assoziierten wir die eigentlich doofe Kleidung mit dem positiven Feedback und dem dadurch erhaltenen Nutzen durch Geschenke, Integrationsempfindungen, Liebesdemonstrationen. Und irgendwann interpretierten wir die doofe Kleidung als positiv. Auch insofern war damit ein Introjektionsprozess abgeschlossen. In diesem Moment besteht die Bereitschaft andere, auch mit Gewalt, mit dem Virus der "schönen Kleidung" zu infizieren. Welche Beispiele kennen wir noch, bei denen biologisch neutrale oder sogar schädliche Dinge oder Verhaltensweisen infolge eines Introjektionsprozesses irgendwann als positiv interpretiert werden? Schönheit, Alkohol, Gerüche, Ideale u.s.w..

Auch das Rauchen ist eines dieser Beispiele. Gehen wir kurz darauf ein. So wie uns die doofe, "schöne Kleidung" anfangs nur hinderlich erscheint, weil sie unseren Spieltrieb behindert, so erscheint uns das Rauchen anfangs auch nur unangenehm im Geschmack. Zudem sind wir gezwungen, dafür Geld auszugeben, das wir ja auch für Süßigkeiten, Spielzeug oder Ähnliches Verwenden könnten. Aber natürlich fanden wir auch bald bestimmte Nützlichkeiten des Rauchens, die uns in der Summe des Positiven mehr erschien als der furchtbare Geschmack und die Kosten im Negativen. Außerdem haben sich einige unserer Freunde eh schon an den blöden Geschmack gewöhnt. Oder taten die nur so, als wenn es schmeckte. Wie dem auch sei, wir hofften darauf, dass der Zustand der Gewöhnung bei uns auch bald eintrat. Was war nun dieses, was wir in Verbindung mit dem Rauchen der Zigaretten als positiv interpretierten? In dieser Lebensphase war einer unserer größten Wünsche das Älter-Sein. Ältere durften mehr, hatten schon Freundinnen, durften in die Filme ab 18 Jahren und hatten einfach mehr von dem großen Gut "FREIHEIT". Nicht umsonst wirbt die Zigarettenindustrie assoziativ mit der Freiheit der großen weiten Welt! Eine Zigarette im Mundwinkel ließ uns nicht nur cool erscheinen, sondern sie machte uns gleich ein bis zwei Jahre älter. Uncool erschienen wir auch, wenn wir unsere Finger nervös über den Tisch gleiten hätten lassen oder in der Nase gebohrt hätten oder wenn wir auf unseren Fingernägeln herum gebissen hätten. Da machte sich der weiße Stängel in unseren Händen schon wesentlich besser. Die Zigarette vergrößerte unsere Chancen beim anderen Geschlecht enorm. Wir hatten durch das Rauchen die Möglichkeit, zur oder zum Auserwählten hinzugehen und zu fragen :"mogsd a oane, i bin da Bäda, wia hoasd´n Du und wos mochsdn haid no?" Was sollten wir wohl ohne Zigarette in so einer Situation tun? Nicht auszudenken. Auch das Zigaretten-Schnurren war eine legitime Kontaktknüpfungsmöglichkeit, die uns die mögliche Bloßstellung eines direkten Kontaktversuches ersparte. Es war leichter zu verkraften, nur keine Zigarette zu kriegen, als als Mann im innersten erschüttert, gar noch öffentlich einen Korb zu ernten. Ein anderer Rauchgrund: Akzeptiert zu werden war und ist oft assoziiert damit, angenommen, integriert und geliebt zu werden. Im Verlauf unserer Pubertät und danach stellten die Rauchergruppen meist unsere favorisierten Freundeskreise dar. Um innerhalb dieser Gruppen akzeptiert, angenommen, aufgenommen und integriert zu sein, waren ganz bestimmte Verhaltensweisen und Äußerlichkeiten die Voraussetzung. Wir demonstrierten dieselben Ideale, Frisuren, Kleidungsart, Jargon, Tanzweise, Schminke und Verhaltensweisen. Gewissermaßen galten die Gruppenverhaltensweisen als Eintrittskarte in die Gruppe. Und das Rauchen war nun mal oft ein zentraler Kern der Verhaltensweise der idealisierten Gruppen. Somit verhalf uns das Rauchen zum Eintritt in die Gruppe, damit zur Akzeptanz, zum aufgenommen - und integriert sein. Und die Integrationsempfindungen waren sowieso immer Mangelware. Ein weiterer Grund des Rauchens war der Widerstand in Form von Trotz, der aus dem meist gegebenen Verbot des Rauchens entstand. Wir zeigten uns vor unseren Freunden durch die Zigarette im Mund als der triumphierende Sieger im Rauchermachtkampf zwischen Eltern und Kind. Wieder ein Grund war die Pause - Legitimation. Stellen sie sich vor, sie sitzen an ihrem Arbeitsplatz am Schreibtisch. Sie lehnen sich zurück, sehen den Wolken draußen beim vorüberziehen zu, während sie eine kleine Arbeitspause einlegen. Ihr Chef betritt das Zimmer und sieht sie untätig dasitzen. Seine Frage: "Haben Sie nichts zu tun? Streiken Sie oder sind Sie krank?" ist fast schon vorprogrammiert. Hätten sie jedoch in der selben Situation eine Zigarette zwischen den Lippen, so würde ihr Vorgesetzter ohne zu fragen ihre Zigarettenpause akzeptieren. Dieser unbewussten Kenntnis folgend assoziieren wir selbst die Rauchzeit als kurze Zeit der Befreiung vom Arbeitsdruck. In uns entsteht der Eindruck, dass unser Rauchen eine Pause legitimiert. Und wieder haben wir eine Assoziation der Befriedigung. Andere mögliche Begründungen liegen in unserer ferneren Kindheit. Als kleine Menschen lag ein oft gegangener Weg zur Realitätserfahrung und -begreifung in unserem Mund. Nahrungsaufnahme erfolgte durch den Mund. Mund, Lippen und Zungenkontakt war vermutlich befriedigend. Wir lernten, Gegenstände durch "in den Mund schieben" besser kennen. Schon damals durften wir viele der Gegenstände nicht in den Mund schieben. Je älter wir wurden, um so mehr wurde uns verboten, Gegenstände durch "in den Mund schieben" kennen zu lernen. "Das tut man doch nicht" war die verbietende Äußerung der Umwelt. "Finger raus, Bleistift raus", und so weiter hörten wir immer wieder. Irgendwann kam dann die Zeit der Zigarette. Diese Mundkonfrontation war nun nicht mehr verboten, sondern sie wurde sogar von idealisierten Menschen gefördert. Was konnte uns besseres geschehen für unsere lang vermisste orale Befriedigung?

Soviel kurz zum Thema Rauchen. Es ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen durch den Vorgang der Identifikation und der Assoziation ein biologisch destruktives Verhalten schleichend immer positiver empfunden wird und schließlich Sucht auslöst. Nicht selten führt eine solche Form der Identifikation zu Krankheit und auch zu Tod. Im Falle des Rauchens scheint der destruktive Part in Folge der Identifikation trotzdem noch nicht so destruktiv zu sein wie bei vielen anderen Identifikationen. Wir kommen später darauf zu sprechen.

Unsere häufigsten Identifikationsobjekte scheinen unsere anerzogenen Rollen zu sein. Deshalb nun eine Erklärung zu diesem wichtigen Themenbereich:

 

Die Kugel und ihre Rollen.

Stellen sie sich den Menschen bei und kurz nach der Geburt vor. Er gleicht mit seinem genialen Wertsystem, das auf Lebensfähigkeit und Lustbefriedigung orientiert ist, einer optimal runden Kugel. Die Kugel ist also im Weiteren ein Symbol für einen Menschen, dem noch nicht durch den Spießrutenlauf der Erziehung Fremdwerte aufgezwungen wurden, die im Verlauf des Lebens des Erzogenen nur Schaden bedingen können. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Erziehung und Information. Der Erziehungsprozess erscheint mir als ein Gewaltvorgang, bei dem die Umwelt einem zu Erziehenden erpresserisch ein kulturspezifisches Wertsystem aufzwängt, das nur durch Angst seine Wirkungen und Ziele erreicht. Anders der Prozess der Information. Dabei werden einem kleinen und jungen Menschen Informationen angeboten, deren Integration ins Wertsystem jedoch der Entscheidung des Kindes überlassen wird.

Die Kugel ist also dieses Symbol für eine BIOLOGISCHE, SELBSTORIENTIERTE, EINHEIT die den Menschen bei seiner Geburt darstellt.

Stellen sie sich nun wieder vor, dass auf der Oberfläche der Kugel alle Begriffe, die wir in der uns bekannten Realität kennen, geschrieben stehen. So stehen zum Beispiel die Worte "klein, fleißig, Depp, hässlich, schön, Liebling, dick, faul, intelligent, Nasenbohrer, langsam" und so weiter darauf. Diese Worte, mit denen wir unsere Realität interpretieren sind positiv bewertet, solange sie unsere Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit aufrechterhalten oder intensivieren. Realitätsaspekte, die unsere Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit gefährden führen zu einer gesunden Angst oder zu gesundem Widerstand, die den Zweck haben, die Werte Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit zu erhalten. Dieses biologische Wertsystem macht es uns leicht, die Realität konstruktiv zu interpretieren und uns in sie harmonisch zu integrieren. Im Verlauf des Älterwerdens bewertet die Umwelt in Form der Eltern, Freunde, Verwandten und Bekannten unsere Charakteristika. Unsere Charakteristika sind mit den Worten auf unserer Oberfläche gleichzusetzen. Innerhalb unserer zur Zeit bestehenden Kultur werden nun meist die Worte "klein, Depp, hässlich, dick, faul, Nasenbohrer, langsam", negativ interpretiert und somit werden wir mit dem negativen Feedback der Umwelt bombardiert. Negatives Feedback erhalten wir durch Strafaktionen wie: Schimpfen, Schläge, früher ins Bett müssen, Liebesentzug, Schuldprojektionen, Nachtischentzug oder Strafarbeiten. Wir erkennen nun, dass, wenn wir Eigenschaften wie :"klein, Depp, hässlich, dick, faul, Nasenbohrer, langsam" und so weiter in unserer Umwelt demonstrieren, daraus Schaden für uns entsteht. Mit der Zeit werden auch wir Aspekte, die zuerst nur die Umwelt an uns negativ bewertet, selbst negativ bewerten. Wir selbst kämen nie auf die Idee, uns Löcher durch die Ohren Nasen oder Brustwarzen zu stoßen, durch die wir anschließend so genannte Schmuckstücke stecken. Wir kämen nie auf die Idee, unsere weiblichen Füße so eng einzubinden, dass sie keine Chance bekommen zu wachsen und sich verkrüppeln müssen. Wir kämen nie auf die Idee, uns mit scharfen Steinwerkzeugen Schnitte in der Haut von Gesicht, Stirn oder Brust anzubringen, sie anschließend mit Pflanzensäften auszutupfen, die den Heilungsprozess hinauszögern, dann aber rot leuchtende Keloide, also Narbenwucherungen hinterlassen. Wir kämen nie auf die Idee, unsere Hälse mit Metallringen so zu strecken, dass sie bis zu drei mal so lang werden, wie sie biologisch währen. Wir kämen nie auf die Idee, in Schuhen zu gehen, mit denen man oder besser gesagt Frau läuft wie auf Stelzen, wodurch die gesamte Statik der Wirbelsäule empfindlich gestört wird. Wir kämen nie auf die Idee, uns auf Kosten unserer vegetativen Funktionen Muskelmassen anzutrainieren, die für unseren Alltag nicht nur unfunktionell, sondern auch höchst hinderlich sein können. Solang uns also nicht mit viel Gewalt Fremdwerte anerzogen wurden, kämen wir nie auf die Idee, Dinge zu tun, die die Werte Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit gefährden. Es scheint immer das selbe Prinzip zu sein: Unseren Erziehern wurden in deren Erziehung mit Gewalt Werte anerzogen. Mit diesen anerzogenen Werten, mit denen sie sich jedoch bereits identifizieren, bewerten sie unsere Verhaltensweisen. Manche unserer Verhaltensweisen bewerten sie als negativ. Diese unsere biologischen Verhaltensweisen, die negativ interpretiert wurden führten für uns kindliche Opfer zu Frustrationen durch Strafe. Die Strafen kennen wir bereits: Schimpfen, Schläge, früher ins Bett müssen, Liebesentzug, Ignoranz, Schuldprojektionen, Nachtischentzug oder Strafarbeiten. Mit diesen und anderen Formen von negativem Feedback wurden wir erpresst, sobald unsere Verhaltensweisen den Erwartungen unserer Erzieher im negativ interpretierten Sinn nicht entsprachen. Niemand wundert sich, dass in uns eine Menge Angst entstand. Diese Angst konnten wir dadurch reduzieren, dass wir Verhaltensweisen demonstrierten, die in unserer Umwelt positives Feedback auslösten. Durch Liebsein, Bravsein, Schönheit, Intelligenz, Leistung waren wir nicht nur in der Lage, Strafaktionen zu vermeiden, sondern wir ernteten sogar positives Feedback in Form von Liebesdemonstrationen, Scheinakzeptanz, länger wach bleiben dürfen, neues Spielzeug, besondere Nachtische und scheinbare Freiheiten. Durch all diese Vorgänge erhielten wir ein ähnliches Fremdwertsystem wie das unserer Erzieher, mit dem wir uns unsererseits wieder identifizieren. Vermutlich geben wir die uns anerzogenen Fremdwerte wieder mit ähnlichen Gewalten an unsere Kinder oder sollte ich besser sagen Opfer weiter, in denen dann die selben Ängste entstehen, die uns seit Jahren durch unser Leben leiten. Wollen wir das wirklich, oder versuchen wir diesen Wertinfektionskreislauf durch unser VERSTEHEN zu lösen?

Weiter geht es mit der Kugel. Stellen sie sich wieder unsere Oberfläche vor, auf der all die uns bekannten Begriffe stehen. Wir erkennen bald: sobald wir durch unsere Verhaltensweisen Eigenschaften oder Charakteristika demonstrieren, die innerhalb unserer Umwelt negativ bewertet werden, erhalten wir Frustrationen. Diese Frustrationen können wir dadurch vermeiden, dass wir diese Eigenschaften nicht mehr zeigen. Symbolisch gesagt decken wir das Wort "Nasenbohrer" auf unserer Oberfläche einfach dadurch zu, dass wir nicht mehr öffentlich nasenbohren. Wir geben dadurch zu verstehen, kein Nasenbohrer zu sein. So verfahren wir auch mit anderen Dingen: Wir versuchen, nicht mehr "klein, deppert, hässlich, dick, dumm, faul, langsam" zu erscheinen. Quasi decken wir diese Worte auf unserer Oberfläche zu, so dass sie von niemandem mehr gesehen werden. Zum Zudecken dieser Worte ist uns alles recht. Wir verwenden Papierstückchen, Schlamm oder wie zufällig vor diesen nun negativ interpretierten Worten stehende Luftballons. Alles ist uns willkommen, um der Umwelt vorzutäuschen, wir seien nicht "klein, deppert, hässlich, dick, dumm, faul, langsam". Das "Kleinsein" können wir mit dickeren Schuhsohlen kompensieren. Den dummen, faulen, langsamen Depp zu verstecken, tun wir uns schon etwas schwerer aber wir finden Mittel und Wege, auch Dieses zu kompensieren. Das Hässliche an uns lässt sich wegschminken und was der Schminke trotzt kann man oder Frau wegoperieren lassen. Dem, was dick an uns erscheint, rücken wir mit brutalen Abmagerungskuren, mit Diäten und in Fitnessclubs zu Leibe. Auf was verzichten wir nicht alles und wie vergewaltigen wir uns auf vielfältige Arten und Weisen. Und das alles nur, um die Angst zu vermeiden, die entstünde, wenn die Umwelt erführe, welche und wie viele negative Eigenschaften wir glauben zu haben, all unsere Negativrollen.

Kommen wir nun zur anderen Art von Rollen, die man uns anerzogen hat, den Positivrollen. Wenn wir Eigenschaften zeigten, die die Umwelt als positiv bewertete, wie zum Beispiel: Schönheit, Fleiß, Intelligenz, Größe, Leistungsfähigkeit, Weitsicht, und so weiter brauchten wir keine Angst vor Ablehnung zu haben und erhielten positives Feedback in Form von Liebesdemonstrationen, Scheinakzeptanz, länger wach bleiben dürfen, neues Spielzeug, besondere Nachtische und scheinbare Freiheiten. Kein Wunder, dass wir uns eilig daranmachten, diese Worte, die von der Umwelt positiv interpretiert wurden auf unserer Oberfläche herauszuputzen. Wir verzierten die Worte mit kleinen aber auffallenden Rähmchen, polierten sie auf Hochglanz und zeichneten sie mit Leuchtfarbe nach. Wir halten ganz zufällig Vergrößerungsgläser vor manche der positiv interpretierten Worte. Auf diese Art versuchen wir, auf unsere Positivrollen aufmerksam zu machen. Wir stellen uns dar, als wären wir viel schöner, fleißiger, intelligenter, größer, leistungsfähiger oder weitsichtiger, als wir real sind. Tarnen und Täuschen heißt das Motto.

Durch all die uns anerzogenen Fremdwerte verzerren wir unsere Realität. Wir haben nun keine geniale Kugelform mehr. Sobald wir uns mit all diesen Rollen identifiziert haben, sind wir nicht mehr in der Lage, zu Eigenschaften, wie "klein, deppert, hässlich, dick, dumm, faul, langsam" zu stehen. Manche dieser Eigenschaften demonstrieren wir täglich mehrmals, warum können wir so schwer dazu stehen? Es ist nun mal unsere Realität. Biologisch genügt uns unsere Schönheit, Fleiß, Intelligenz, Größe, Leistungsfähigkeit, Weitsicht und so weiter allemal, um unsere Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit zu erhalten. Müssen wir immer weiter machen damit, uns und anderen immer etwas vorzumachen mit unseren Rollen, die inzwischen eine Eigendynamik entwickelt haben? Vielleicht immer weniger, je mehr wir die Schäden erkennen, die die Rollen und Identifikationen mit uns und in uns und in unserer Umwelt verursachen. Dass wir aufgrund der Rollen in unserer Identitätsstruktur sehr angstgesteuert durch unser Leben gehen ist nun etwas klarer geworden. Ich will versuchen, weitere Schäden der Rollen aufzudecken. Um dieses zu erreichen, muss ich auf das Thema Angst etwas näher eingehen.

Angst ist eine Emotion, die in der Folge einer Wertgefährdungsinterpretation entsteht. Die Angst hat die Aufgabe, den gefährdet interpretierten Wert zu schützen. Fahren wir zum Beispiel mit unserem Auto mit 100 Stundenkilometern auf eine Kurve zu, die auch mit einem Rennwagen nur 50 Stundenkilometer verträgt, so sagt die Angst : "Fuß vom Gaspedal und auf die Bremse damit!" Meist werden wir dem Motiv und Ziel der Angst entsprechen und das tun, was uns diese Angst sagen will. Sehen wir auf unserem Weg einen Hund angekettet, der uns wütend anbellt, dessen messerscharfe Zähne uns entgegenleuchten und dessen Größe uns imponiert, so sagt uns die Angst, wir mögen uns besser nach einem Weg umsehen, auf dem die Konfrontation mit dem Untier vermeidbar erscheint. Vermutlich kommen wir wieder dem Ansinnen der Angst nach, und tun, was sie will. Oder auf einer Bergtour kommen wir auf einige Meter an eine Klippe heran, nach der es ca. 800 Meter senkrecht nach unten geht. Die Angst will uns die Annäherung an die Klippe und das eventuelle hinunterfallen ersparen und wir erfüllen ihr besser den Wunsch. Diese Ängste sind also für uns sehr lebenserhaltend, und wir wären dumm sie zu ignorieren.

Hätten wir nur Angst, wenn unsere biologischen Werte gefährdet wären, so würden wir leben wie im Paradies. Dummerweise kann unsere Angst nicht unterscheiden zwischen den Werten, mit denen wir geboren wurden und den Werten, die uns anerzogen wurden.

Sobald also jemand in unserer Umwelt nun an einer unseren Rollen kratzt, fühlen wir Angst. Jemand nennt uns dumm und kratzt damit eine Schicht von dem Dreck über dem Wort "dumm" ab, den wir angebracht haben, um eben nicht als dumm erkannt zu werden. Nachdem wir uns mit dem "nicht dumm sein wollen" und dem Dreck über dem Wort "dumm" identifiziert haben führt ein Kratzen an dem Dreck zu einer Wertgefährdungsinterpretation. Und diese wiederum löst Angst aus. Könnten wir zu unserer Dummheit, die sich doch des öfteren in unserem Tagesablauf zeigt stehen, so hätten wir es nicht nötig, Dreck über das Wort zu schmieren, sondern könnten es gut sichtbar und lesbar auf unserer Oberfläche stehen lassen. Kommt nun jemand aus unserer Umwelt und nennt uns dumm, so kratzt er oder sie nicht an dem Dreck auf uns, weil nämlich keiner da ist. Er oder sie spricht nur etwas offenkundiges an und wir können nur zustimmen, dass neben unseren Intelligenzbereichen sich auch einige Dummheitsbereiche zeigen.

Durch das Beiseiteschieben des Vergrößerungsglases vor dem Wort "Intelligent" fühlen wir wieder einen Wert gefährdet. Wieder hat jemand erkannt, dass wir gar nicht so intelligent sind, wie wir versuchten, der Umwelt zu demonstrieren. Wir wurden bloßgestellt und das löst eine Menge Angst aus. Wie gesagt hat die Angst die Aufgabe, den gefährdet erscheinenden Wert zu schützen. Und da die Angst nicht unterscheiden kann zwischen gefährdet erscheinenden Eigenwerten und den anerzogenen Fremdwerten muß sie versuchen, den gefährdet erscheinenden Fremdwert zu schützen. Nur, wie soll die Angst dieses Konstrukt "Fremdwert" schützen? Die Werte Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit haben reale Bezüge. Doch wie soll die Angst ein "nicht dumm erscheinen wollen" schützen? Sie tut sich dabei verdammt hart. Und trotzdem versuchen wir es. Hat jemand der Umwelt einen unserer Dummheitsbereiche entlarvt, so sagen wir einfach, es stimmt nicht. Wir waren das gar nicht. Wir versuchen, mit übertriebener Intelligenzdemonstration zu kompensieren. Wir werten den Anderen ab, indem wir auf seine noch größeren Dummheitsbereiche hinweisen. Wir lenken elegant oder auch mühsam vom peinlichen Thema ab und reden übers Wetter. Oder wir werden einfach aggressiv und verhauen den scheinbaren Angreifer. Wie oft geschieht es, dass wir uns durch Worte Anderer angegriffen fühlen? Auf welche Arten "verteidigen" wir uns und wie praktizieren wir Gegenangriffe?

Sobald wir erkennen, dass Worte unsere biologischen Werte niemals angreifen können, sondern immer nur unsere Rollen angreifen, wird uns klarer, wie oft wir in der Folge der Identifikationen mit unseren Rollen mit Angst und Aggressionen reagieren. Durch unsere Identifikationen machen wir uns und unserer Umwelt das Leben ganz schön oder besser gesagt unschön schwer. Wir erkennen nun besser, wie wir durch geäußerte Worte aus unserer Umwelt angreifbar sind. Dadurch können wir aber auch lernen, mehr zu unserer Realität zu stehen um damit ein bisher nicht gekanntes Maß an Unangreifbarkeit und Stabilität zu erreichen.

Kommen wir zum Thema Ideale. Ideale erscheinen mir als die ethischen Maxima einer Kultur. In unserer frühesten Kindheit wurden wir angehalten, uns mit diesen Idealen zu identifizieren. Gerechtigkeit, Fairness, Mut, Nationalismus, Redlichkeit, Ehre, Ehrlichkeit, Freiheit, Einigkeit und Treue sind nur einige dieser Ideale. Ideale gleichen in ihren Wirkungen Vorsätzen, die wir immer weniger erreichen, je mehr wir es versuchen. Und je weniger wir Vorsätze oder Ideale erfüllen können, umso intensiver wächst unser schlechtes Gewissen, die Angst und damit das Motiv Vorsätze oder Ideale zu erfüllen. Die Ideale, mit denen ein Vereinsmeier oder Beamter groß wurden unterscheiden sich intensiv von denen eines Punkers oder eines Rockers. Solange unsere Ideale nicht gefährdet erscheinen, fühlen wir uns wohl und haben keine Angst oder Aggression. Jedoch beunruhigt uns bereits die Existenz von Gruppen mit anderen Idealen als unseren eigenen. Massive Angst oder Aggression entsteht jedoch in uns, wenn die Ideale der anderen Gruppe unsere eigenen Ideale gefährdet. Punker und Vereinsmeier haben sehr selten miteinander zu tun. Die Unterschiedlichkeit der Ideale beider Gruppen verursachen in den Mitgliedern beider Gruppen jedoch intensive Aggressionen und wüste Beschimpfungen der jeweiligen Gegengruppe. Ein Feindbild ist entstanden. Feindbilder entstehen umso leichter, je mehr eine Idealidentifikation besteht, die mit anderen Idealidentifikationen konfrontiert wird. Besteht nun keine Distanzierungsmöglichkeit zwischen Menschen unterschiedlicher Idealidentifikationen, so ist Krieg fast unausweichlich. Keiner der mir bekannten Kriege verlief ohne Idealidentifikation und daraus resultierenden Feindbildern. Das Prinzip ist immer das selbe, ob Kleinkrieg innerhalb einer Familie oder ein Krieg zwischen Staatsverbänden.

Nun noch einige Worte zum Thema Schuldempfindungen. Sie ahnen es bereits, auch die Schuldempfindung hat mit der Identifikation zu tun. Sobald wir uns zum Beispiel mit der Rolle eines Ehemannes identifizieren, übernehmen wir auch die Pflichten, Zuständigkeiten und Rechte eines Ehemannes. Wir haben Erwartungshaltungen über die Dinge, die uns als Ehemann doch zustehen. Wir reagieren mit Aggressionen, sobald die Umwelt, meistens unsere Frauen, unsere Ehemann - Privilegien nicht erfüllt. Sobald wir jedoch eine oder mehrere unserer rollenorientierten Pflichten nicht erfüllen und dadurch jemand leidet, dem oder der die Erfüllung unserer Pflichten zugestanden hätte, fühlen wir unser schlechtes Gewissen und unsere Schuldempfindungen bohren. Normenorientiert versuchen wir uns nun, unsere Schuldempfindungen dadurch abzubauen, dass wir gezwungenermaßen unsere Pflichten zu erfüllen versuchen. Ähnlich wie unsere Schuldempfindungen sind auch unsere Mitleidsempfindungen erst eine Folge unserer Identifikationen.

Sobald wir uns mit solchen Rollen innerhalb unserer Partnerschaften identifizieren sind wir auf dem besten Wege, die Partnerschaft zur Handelsgesellschaft zu degradieren. Durch Forderungen drängen wir den Partner, seine Pflichten uns gegenüber zu erfüllen, da ja wir unsererseits bereits unsere Pflichten erfüllt haben. Schade um dieses Leben, in dem wir uns verhalten wie es uns vorgeschrieben wurde um zu erhalten, was uns so schmackhaft gemacht wurde.

Was nun zum Thema Identifikation besprochen wurde erscheint mir wie die Spitze eines Eisberges.

Es gibt also noch viel zu finden. Beginnen wir zu suchen?

 

p.a.hartberger@arcor.de

Copyright © 1998 Peter A. Hartberger
 Donnerstag, 06. August 2009